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Keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach Menschenraub im Dealer-Milieu

Auch wenn eine Straftat im Drogenumfeld geschieht und der Täter Drogenkonsument ist, kommt nicht automatisch die Unterbringung in einer Suchttherapie-Einrichtung infrage. Dafür muss die Straftat vielmehr Symptom für den Hang des Täters zum Drogenmissbrauch sein.

 

Ein Dealer will Geld eintreiben und landet vor dem Strafrichter

Ein Dealer, der in erheblichem Maß mit Drogen handelte, wollte bei einem Komplizen, der für ihn Drogen verkauft hatte, mehr als 10.000 Euro an Schulden eintreiben. Er rüstete zwei Mittäter mit einer Schreckschusspistole und einem Schlagring aus. Sie entführten das Opfer in einem Auto. Dort kam es zur Gewalt. Das Opfer wurde mit dem Schlagring und der Pistole ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen, um die Zahlung zu erzwingen. Dann gelang ihm die Flucht.

Der Dealer und Anstifter wurde dafür vom Landgericht Frankfurt (Oder) wegen erpresserischen Menschenraubes (§ 239a StGB) in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung (§ 250 StGB i. V. m. § 255 StGB) und mit gefährlicher Körperverletzung (§ 244 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach einem Vorwegvollzug von einem Jahr und drei Monaten sollte eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfolgen.

Der Strafverteidiger des verurteilten Dealers legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. Daraufhin hob der sechste Strafsenat des BGH die Anordnung zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf.

 

Polytoxikomanie genügt nicht als Grund für die Anordnung einer Therapie

Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte dem Angeklagten eine Polytoxikomanie bescheinigt, d. h. den fortgesetzten Konsum verschiedener Rauschmittel bzw. Drogen. Damit erfüllte er zwar eine der Voraussetzungen, und zwar den Hang Rauschmittel oder Drogen zu konsumieren, für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Rahmen des Maßregelvollzugs gemäß § 64 StGB. Diese Therapiemaßnahmen können zunächst für maximal zwei Jahre angeordnet werden. Der Rest der Freiheitsstrafe kann anschließend zur Bewährung ausgesetzt werden.

Der BGH bemängelte jedoch, dass eine weitere Voraussetzung für die Unterbringung nicht gegeben war. Der erpresserische Menschenraub und die räuberische Erpressung hatten keinen „Symptomwert“ für den Hang des Täters zum Drogenmissbrauch. Es genügte dem BGH nicht, dass der Sachverständige einen „symptomatischen Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und Delinquenz“ gesehen hatte.

Die Vorinstanz hätte zur Begründung der Therapie-Anordnung vielmehr ausführen müssen, in welcher Weise der konkrete Straftatbestand auf den Hang zum Drogenkonsum zurückzuführen war und wie sich darin die „hangbedingte Gefährlichkeit“ des Täters zeigte. An einem solchen Zusammenhang hatte der BGH erhebliche Zweifel. Der Täter hatte den Mann, der für ihn Drogen verkauft hatte, nicht entführt und bedroht, um damit an Geld zur Beschaffung von Drogen zu gelangen. Ihm war es vielmehr darum gegangen, durch das Eintreiben der Schulden den Gewinn aus dem Drogenverkauf zu erhalten. Daneben sollte die Tat einem der Mittäter Gelegenheit geben, sich zu profilieren und seine Tauglichkeit als Vertreter für den Angeklagten unter Beweis zu stellen.

 

Keine Unterbringung ohne hinreichend konkrete Aussicht auf Therapieerfolg

Der BGH vermisste in der Entscheidung des Landgerichts außerdem Ausführungen zur dritten Voraussetzung für eine Unterbringungsanordnung. Diese ist daran gebunden, dass die Drogentherapie hinreichende Erfolgsaussichten hat. Das Landgericht hatte dazu nur die Einschätzung des psychiatrischen Gutachtens übernommen, das einen Therapieerfolg als „nicht von vornherein ausgeschlossen“ bewertete. Der § 64 StGB verlangt zur Unterbringung in einer Erziehungsanstalt jedoch „eine hinreichend konkrete Aussicht“ auf Erfolg. Diese war angesichts der dissozialen und instabilen Persönlichkeit des Täters und seiner Neigung zu Straftaten für den BGH nicht belegt. Ob er zur Therapie überhaupt motiviert war, hatte die Urteilsbegründung des Landgerichts nicht erwähnt.

Der BGH sah keine Aussicht darauf, dass eine Neuverhandlung zu einer Therapieanordnung ohne Rechtsfehler führen könnte. Er beschränkte sich darauf, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufzuheben. Ansonsten wurde die Verurteilung bestätigt.

 

Rechtsanwalt Strafverteidiger Dortmund – Fazit von Dieter Axmann:

  • In diesem Fall ging der Revisionsantrag des Angeklagten möglicherweise nach hinten los: Der BGH bestätigte das Strafmaß, hob jedoch die Anordnung zur Unterbringung in einer Drogentherapie auf.
  • Dadurch verlor der Angeklagte die Aussicht auf einen Straferlass derjenigen Teilstrafe, die er nach dem Vorwegvollzug und einer Therapie noch hätte absitzen müssen. Diese drei Jahre und drei Monate, d. h. die Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe, hätten ansonsten nach der Maßregel gemäß § 67 Abs. 2 und 5 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden können.
  • Ein Revisionsantrag im Strafrecht kann sich in bestimmten Fällen als Bumerang erweisen.
  • Bei jeder Revision, bei der eine Unterbringung in eine Erziehungsanstalt nach § 64 StGB im Raum steht, ist mit dem Mandanten vorab zu klären, ob die Unterbringung von der Revision erfasst sein soll oder ob der Mandant wünscht, diese Unterbringung mit der Revision nicht anzugreifen.
  • Deshalb ist es wichtig, die strafrechtliche Revision einem erfahrenen Anwalt für Strafrecht zu überlassen. Ein Fachanwalt für Strafrecht mit Revisionserfahrung sieht solche Risiken und weist seinen Mandanten rechtzeitig darauf hin.

Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat schon Hunderte von Mandanten in BtMG-Strafverfahren vertreten. Neben Drogendelikten verfügt er über große Erfahrung in der Strafverteidigung beim Vorwurf des Raubes und der Erpressung.

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