BGH akzeptiert Täter-Opfer-Ausgleich trotz Schweigen des Missbrauchsopfers
Ohne zumindest indirekte Kommunikation zwischen Täter und Opfer gibt es keinen Täter-Opfer-Ausgleich. In einer Revisionsverhandlung genügte es dem BGH allerdings, dass die Eltern eines minderjährigen Opfers es wohl von der Entschuldigung und den Zahlungen des Täters in Kenntnis gesetzt hatte. Zumindest sprach nichts dagegen, auch wenn das junge Mädchen zu dem an ihm begangenen schweren sexuellen Missbrauch ebenso schwieg wie zu den Ausgleichsbemühungen des Täters (BGH, Beschluss vom 24. 08. 2017 – 3 StR 233/17).
Ausgleich für den sexuellen Missbrauch eines jungen Mädchens
Das Landgericht Hannover hatte als Vorinstanz den Täter zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Er war des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person für schuldig befunden worden. Das Landgericht hatte dabei strafmildernd bewertet, dass nach der Tat ein Täter-Opfer-Ausgleich stattfand. Der Angeklagte hatte in sieben Fällen die damals elf- bzw. zwölfjährige Nichte seiner Ehefrau missbraucht. Dabei kam es einmal auch zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs.
Nachdem die Taten bekannt geworden waren und das Ermittlungsverfahren anlief, brach die Familie des Opfers jeden Kontakt zum Täter ab. Dieser unternahm deutliche Anstrengungen, um einen Ausgleich zu erreichen und seine Reue unter Beweis zu stellen. Durch ein umfangreiches Geständnis ersparte er dem jungen Mädchen eine Aussage vor Gericht. Außerdem übernahm er in zwei Entschuldigungsbriefen die Verantwortung für seine Taten und erkannte ihre Auswirkungen auf das Mädchen an. Daneben zahlte er 10.000 Euro als Entschädigungssumme beziehungsweise als Schmerzensgeld und verpflichtete sich zusätzlich zur Übernahme aller Rechtskosten und sonstigen materiellen und immateriellen Schäden durch den Missbrauch.
Täter-Opfer-Ausgleich, obwohl das Opfer schweigt?
Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen die Entscheidung ein. Sie wandte sich dagegen, dass die Strafkammer des Landgerichts von einem Täter-Opfer-Ausgleich ausgegangen war und deshalb eine mildere Strafe verhängt hatte. Der dritte Strafsenat des BGH bestätigte das Urteil jedoch.
Die Richter bekräftigten, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich einen kommunikativen Prozess zwischen beiden Seiten erfordert. Nur einseitige Bemühungen des Täters reichen nicht aus. Der Täter muss das Opfer an dem Ausgleichsprozess beteiligen, dieses dazu und zur Versöhnung bereit sein. Auch wenn in diesem Fall das Opfer minderjährig war und über die vorgefallenen Taten nicht sprechen wollte, musste es persönlich beteiligt sein. Ein direkter Austausch war jedoch nicht erforderlich. Es genügte, dass die Kommunikation über den Strafverteidiger des Täters, den Anwalt des Opfers und dessen Eltern lief.
Allerdings musste auch das minderjährige Opfer in den Kommunikationsprozess eingebunden sein, obwohl es Gespräche über den Missbrauch verweigerte. Die Erklärungen des Täters mussten das Mädchen zumindest erreichen, sonst hätte kein Täter-Opfer-Ausgleich vorgelegen. Dass das Opfer des sexuellen Missbrauchs von den Bemühungen des Täters erfahren hatte, wurde vom Landgericht zwar nicht explizit festgestellt. Doch nach Ansicht des BGH ging das Landgericht berechtigterweise von einem indirekten Kontakt aus. Die Annahme, die Eltern hätten sie über die Zahlungen und Angebote des Täters völlig um Unklaren gelassen, sei lebensfremd. Mehr war nicht nötig, um von einem kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und der jungen Nebenklägerin und seiner friedensstiftenden Wirkung auszugehen. Aus dem Schweigen des Opfers zum Ausgleich musste nicht auf dessen Ablehnung geschlossen werden.
Es gab auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Eltern aus einer Drucksituation heraus auf den Ausgleich eingelassen hatten. Finanzielle Zwänge konnten nicht vorliegen, denn die Zahlungen waren bereits erfolgt. Es ging auch nicht darum, dem Mädchen eine Aussage vor Gericht zu ersparen, denn der Täter hatte sein Geständnis schon vor der Hauptverhandlung abgelegt.
Rechtsanwalt Strafrecht Dortmund – Fazit: mildere Strafe für ein Sexualdelikt aufgrund eines Täter-Opfer-Ausgleichs
- Nach einem Sexualdelikt können Angeklagte durch einen Täter-Opfer-Ausgleich viel erreichen: Der Ausgleich macht es dem Opfer leichter, mit dem Geschehnis fertig zu werden, der Täter arbeitet die Straftat für sich selbst auf, und die Voraussetzung für ein milderes Urteil wird geschaffen. Ohne sein Bemühen um einen Täter-Opfer-Ausgleich wäre der Täter im hier erwähnten Fall sicher nicht mit einer Bewährungsstrafe davongekommen.
- Allerdings hat der BGH erneut bekräftigt, dass das Opfer sich auf den Ausgleichsprozess einlassen muss. Ist es dazu nicht bereit, kommt nach dieser Sichtweise kein Ausgleich zustande. Damit lässt der BGH ernsthaft um Wiedergutmachung bemühte Täter ins Leere laufen, wenn der oder die Geschädigte der Tat die Mitwirkung verweigert.
- Entscheidend ist die Haltung und Beteiligung des Opfers. Das gilt auch dann, wenn es noch minderjährig ist, aber alt genug, um den Vorgang zu verstehen.
- Eine direkte Kommunikation zwischen Täter und Opfer muss nicht stattfinden. Die Rechtsanwälte oder andere Personen können als Vermittler auftreten. Ausschlaggebend ist, dass die Entschuldigungen und Erklärungen des Täters das Opfer erreichen, selbst wenn es nicht explizit dazu Stellung nimmt.
Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat bereits Hunderte von Mandanten gegen den Vorwurf von Sexualdelikten verteidigt und verfügt über große Erfahrung im Sexualstrafrecht.
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